Rügen im Spiegel der Kunst

Natürlich kennt jeder kulturinteressierte Besucher Rügens die Galerie in der Orangerie Putbus oder hat schon einmal einige der zahlreichen Museen besucht, aber noch bekannter als die Kunst auf Rügen ist die Kunst über Rügen, wir haben hier darüber berichtet, – zumindest wenn man an eines der wohl berühmtesten Gemälde der Früh-Romantik denkt – die Kreidefelsen auf Rügen des in Greifswald geborenen Malers Caspar David Friedrich, das heute im Museum Oskar Reinhart in Winterthur (Schweiz) hängt.

Das Bild gibt den Blick auf die Ostsee zwischen zwei der Kreidefelsen frei, nach denen es benannt ist. Im Vordergrund stehen bzw. sitzen drei Personen (zwei Männer und eine Frau), die das Panorama genießen, beinahe typische Touristen. Lange haben berufene Kunsthistoriker zu diesem Gemälde geforscht und vieles haben sie geschrieben und doch wird nach wie vor disputiert – z. B. über die auch für Besucher Rügens interessante Frage, welche Stelle der Insel der große Maler hier verewigte. Zunächst galten Wissower Klinken als Vorlage, doch wurde gegen diese These der stichhaltig scheinende Einwand ins Feld geführt, dass Friedrich jene Küstenformation kaum kennen konnte, da diese sich erst später durch Erosion bildete. Und auch der zweite Aussichtspunkt, der als Motiv für das Bild ausgemacht wurde, die Kleine Stubbenkammer ist nicht gänzlich unumstritten, da Caspar David Friedrich sich häufig des Montageprinzips bediente, d. h. seinen Gemälden liegen oft mehrere unterschiedliche Skizzen zu Grunde. Möglicherweise existiert der gezeigte Bildausschnitt also ausschließlich in der Phantasie des Künstlers und auf dem besagten Kunstwerk.

Warum aber ist das Werk dann bedeutsam, wenn es nicht einmal einen realen Ort zeigt? Sucht man die Erklärung in der Ästhetik muss man sagen: Vielleicht gerade deshalb, denn wie beispielsweise der Dichter und Philosoph Oscar Wilde in einem berühmten Essay zu bedenken gab: Das Leben ahmt die Kunst weit mehr nach als die Kunst das Leben. Angewendet auf unser Bild und die Insel Rügen darf man diese Bemerkung so verstehen, dass viele Besucher Rügens, die sich an der Aussicht von den besagten Kreidefelsen erfreuen, dies nicht zuletzt deshalb tun, weil sie versuchen ein von Caspar David Friedrich geschaffenes idyllisches Ideal zu aktualisieren. Der Maler hätte demnach für den Tourismus auf der Insel mehr getan als so manches Fremdenverkehrsamt. Denken Sie bei Ihrem nächsten Urlaub einfach einmal darüber nach, was Ihre Vorstellungen und Erwartungen in Bezug auf Ihr Reiseziel geprägt hat und übrigens: Wenn Sie Rügen besuchen und die wunderbare Aussicht von den Kreidefelsen im Nationalpark Jasmund und andere Sehenswürdigkeiten genießen wollen, profitieren Sie von einer touristischen Erschließung, von der ein Caspar David Friedrich nur träumen konnte.